Eine Künstlerexistenz als weiblicher Lebensentwurf war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nicht möglich - meist wurde künstlerisch ambitionierten Frauen ihre Eignung abgesprochen, ihre künstlerische Tätigkeit übergangen, be- oder verhindert. Die Aufnahme in eine Akademie, Ort der Lehre, des Austauschs und erster Wendepunkt eines Künstlerlebens, war ihnen verwehrt. Mühsam mussten sie ihre Talente weiterentwickeln, eine berufliche Positionierung war kaum möglich, da gesellschaftliche Konventionen der bürgerlichen Gesellschaft, insbesondere die gesellschaftlich zugeschriebene Rolle als Ehefrau und Mutter sowie einschränkende kulturelle und ökonomische Zwänge dies verhinderten.
Noch 1918 ist in einem Gutachten der Akademie München zu lesen: "Die gleiche Kunstbegabung beider Geschlechter vorausgesetzt zeigt doch die Erfahrung, dass mit wenigen Ausnahmen die künstlerische Betätigung der Frauen sich beschränkt auf das Bildnis, die Landschaft, das Stillleben und das Kunstgewerbe. Freie Komposition und monumentale Aufgaben scheinen der Veranlagung der Frau weniger zu entsprechen. Diese Selbstbeschränkung der überwiegenden Mehrheit aller künstlerisch tätigen Frauen hat ihren Grund sicher nicht im Mangel einer entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit, sondern in einem richtigen Gefühl für die Grenzen der eigenen Begabung."
Erst mit der verfassungsrechtlichen Gleichstellung der Frau 1919 war eine Ausbildung im Rahmen des akademischen Lehrbetriebs möglich, allerdings mit Einschränkungen und Sonderbestimmungen. Die Teilnahme an Aktzeichen- und Anatomiekursen zum Beispiel war Frauen nicht gestattet oder nur mit Einwilligung der Eltern möglich. So beschränkte sich die künstlerische Ausbildung nicht selten auf die Erziehung in Rhythmik, Tanz, Musik, Zeichnen und Textilarbeit.
Nicht wenige Künstlerinnen kamen aus Künstlerfamilien oder waren mit einem Künstler verheiratet. Vor allem Malerinnen waren um die Jahrhundertwende mit einer Künstlerkolonie verbunden, in der es leichter war, sich von traditionellen Rollenbildern zu befreien. Dank ihrer oft unkonventionellen Lebensweise wurden sie als "Malweiber" verspottet.
Im Sommer 2023 rücken in der Lände vier Künstlerinnen ins Rampenlicht, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg gefunden haben, "starke Frauen": Mathilde Vollmoeller-Purrmann (1906, Paris, 1908 Akadémie Matisse), Fridel Dethleffs-Edelmann (1909, Badische Landeskunstschule), Hilde Broer (1924, Staatliche Werkschulen Köln), Rose Sommer-Leypold (1928, Kunstakademie Stuttgart) - die Zahlen in Klammer beziehen sich auf ihre Immatrikulation an der jeweiligen Hochschule.
Die Ausstellung will den besonderen Beitrag dieser Künstlerinnen, die alle im nahen Umkreis Kressbronns gelebt und gearbeitet haben, wieder ins Licht rücken. Ihre Lebensgeschichten erzählen von Mut, Erfindungsreichtum, Ausdauer und unterschiedlichen Strategien zur Überwindung zahlreicher Hindernisse auf ihrem Lebensweg.