Nicole Bolds Bildräume sind Ausdruck fluider Zeitlichkeit. Eine solche Anschauung hat ihre frühen Wurzeln im fernöstlichen Kulturraum. Die Kunst chinesischer Landschaftsmalerei besteht in der Beherrschung feiner Valeurs und subtiler Übergänge als Sinnbild eines unendlichen Flusses und stillen Wandels der Welt. Nicole Bolds Kunst erlaubt sich hingegen immer wieder unerwartete Ausbrüche und individuelle Wege. Ihr Ansatz ist informell. Gestische Farbverläufe, die wie Heruntergeronnenes, wie Ausgegossenes wirken, mit denen uns Nicole Bold allerdings auf eine Fährte lockt, welche uns ebene jene Verläufe als Produkte des Einbezugs malerischer Zufallsverfahren interpretieren lässt. Doch weit gefehlt. Was auf den ersten Blick wie zufällig wirkt, ist in Wirklichkeit akribisch mit feinem Pinsel gemalt. Die informelle Spur ist schlichtweg simuliert. Und so erleben wir eine Malerei voller ironischer Brechungen, die sowohl die Natur imitiert wie gängige künstlerische Verfahren, die wir als Produkt scheinbar natürlicher Verläufe deuten. Nein. Alles ist künstlich und alles, was so scheint wie es ist, scheint nur so und ist ganz anders. Kennen wir das nicht aus dem Leben? Bedarf es da nicht oft eines zweiten, eines dritten Blicks?
Eine ähnliche Botschaft bergen auch jene mehrschichtigen Glasarbeiten der Künstlerin. Hinter dem Dahinter gibt es ein weiteres Dahinter, die Existenz ist vielschichtig, unergründlich, wir müssen sie durchdringen. Wir sehen das Leben wachsen, auftauchen, verschwimmen, alles ist in Bewegung und je nach Lichteinfall wirkt es neu und anders. Nichts erschließt sich endgültig. Und ich meine, es wäre unendlich langweilig, wenn es so wäre. Es gilt, sich auf die Kunst Nicole Bolds einzulassen, einer Kunst, die uns mit ihren Form- und Farbverläufen geradezu sinnlich erregt, mal Gefühle von Wärme, mal von Kälte erzeugt, den Geschmacks- und Geruchssinn anzuregen versteht, mit der Vokalität der Farben eine geradezu lautmalerische Poesie generiert, Räume, die in Gedanken begehbar sind und uns früher oder später bei stiller Betrachtung umfangen und umhüllen, wenn wir nur bereit sind, uns auf diese wunderbaren Bildwahrnehmungsangebote einzulassen.
So wenig wir letztlich das wahre Wesen der Natur kennen, so viel mehr wissen und spüren wir nach der Betrachtung der Bildwelt Nicole Bolds."
Prof. Dr. Martin Oswald, Weingarten
Kunst zu entdecken, ihr in kreativer Annäherung und spielerischem Umgang mit Technik und einem unbekannten und spannenden Material Zugänge zu verschaffen bzw. Teilhabe zu ermöglichen an den Erscheinungsweisen gegenwärtiger Kunst - das ist das Ziel des Kressbronner KunstCampus, für den die Initiatoren die Malerin Nicole Bold gewinnen konnten. Dieser 4. KunstCampus findet in der letzten Sommerferienwoche statt. Er wendet sich an Mädchen und Jungen im Alter von ca. 10 bis 16 Jahren, die Lust haben, in Kunst "einzutauchen", mit Kunst zu experimentieren.